#espace. Diskursive Streifzüge durch die raumtheoretische Praxis

29.01.2020, 15–21 Uhr | Schreyvogelsaal, Hofburg, Batthyánystiege, 1010 Wien
30.01.2020,   9–18 Uhr | Schreyvogelsaal, Hofburg, Batthyánystiege, 1010 Wien
31.01.2020,   9–21 Uhr | Blickle Kino, Belvedere 21, 1030 Wien

Interdisziplinärer Workshop zur angewandten Raumtheorie

Der Workshop #espace. Diskursive Streifzüge durch die raumtheoretische Praxis ist eine interdisziplinäre Austauschplattform, die fachspezifische Auswirkungen, methodologische Anwendungen und das kreative Potential der daraus resultierenden Erkenntnisgewinne einer weitgefassten Sensibilisierung der Raumwahrnehmung in den Kulturwissenschaften zur Diskussion stellt. Die Praxis umfasst dabei jegliche konkrete Anwendungsformen raumtheoretischer Überlegungen auf thematisch diverse Untersuchungsgegenstände. Aufgrund der stark interdisziplinären Ausrichtung der Vienna Doctoral Academy, liegt ein besonderer Fokus auf fachübergreifenden Perspektiven, wobei spezifische Problemfelder verräumlichender Praxis im Rahmen von übergeordneten raumtheoretischen Denkmodellen analysiert und diskutiert werden.

Unter Bezugnahme auf aktuelle Forschungstendenzen zur Rückkoppelung abstrakt-theoretischer Überlegungen an praxis-orientierte Erkenntniswege bietet der Workshop eine Austauschplattform, um konkrete Anwendungsbeispiele raumbezogener Auseinandersetzung vorzustellen und Funktionsweisen der Integration interdisziplinärer Perspektiven in raumtheoretischen Forschungsarbeiten zu diskutieren. Dem theoretischen Fokus des Workshops liegt eine wissenschaftskritische Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Untersuchungsfeld zugrunde. Dabei sollen Problemstellen bei der wissenschaftlichen Betrachtung des Raumes aufgedeckt und reflektiert werden, die durch spezifische raumbezogene Denkmuster einen „blinden Fleck“ im Diskurs hinterlassen haben.

Damit möchte unser Vorhaben auch einer von uns in der Forschungspraxis festgestellten Divergenz entgegenwirken, die sich zwischen theoriegeladenen Diskursivierungen in raumtheoretischer Standardliteratur einerseits und enger fachspezifischer Anwendung andererseits manifestiert. Notwendigerweise interdisziplinärer Theoriebildung steht also eine oft sehr enge Perspektive fachlicher Praxis gegenüber. In den Ergebnissen raumbezogener Forschung ist diese Divergenz auf verschiedenen Ebenen fassbar. Im Bemühen vieler Forscherinnen und Forscher, ihren herkömmlichen Untersuchungsgegenstand in theoretische Modelle hineinzuzwängen, die diesem aus einer wenig oder gar nicht raumbezogenen Perspektive geschöpften Gegenstand vielleicht selbst gar nicht adäquat sind und dadurch wertvolle Erkenntnisse in einem so produzierten blinden Fleck der Forschung erst gar nicht zu ermöglichen, erkennen wir ein grundsätzliches Manko in der interdisziplinären Forschungspraxis. Dadurch wird es umso schwieriger, sich der weitaus größeren Herausforderungen zu stellen, mit tradierten Raumbildern, deren Auswirkungen und Reichweiten innerhalb der facheigenen Forschungsrealität als solche nicht immer erkannt werden, einen bewussten und epistemisch fundierten Umgang zu pflegen. Dies zeigt sich, wenn etwa in sich schlüssige Raummodelle importiert und auf vordefinierte Untersuchungsgegenstände übertragen werden, wobei aber letztere disziplinspezifisch-tradierte, vordergründig praxisorientierte und oftmals theorieferne Umgänge mit Raum enthalten und unreflektiert übernommen werden. Vor diesem Hintergrund orientiert sich die im Workshop ausgeübte Wissenschaftskritik grundlegend am (selbst-)kritischen Hinterfragen von im eigenen Feld angewandten interdisziplinären Definitionen sowie disziplinabhängigen Paradigmen und fachspezifischer Handhabung der Raumthematik.

Als exemplarisches Beispiel sei etwa auf die ägyptologischen Publikationen des 19. Jahrhunderts verwiesen, in denen Gräber als Raum gänzlich dekonstruiert wurden, da dem damaligen Forschungsstand entsprechend jedes Grabinventar aufgelöst und die Objekte nach Kategorien geordnet zu untersuchen waren. Eine Analyse des Grabes als soziales Raumkonstrukt ist in diesen Fällen nicht mehr gegeben. Dies engt nicht nur neue Interpretationsmöglichkeiten stark ein, sondern verfälscht das Bild zahlreicher Quellenauswertungen und darauf aufbauender Theoriebildung. Interdisziplinäre Anknüpfungspunkte ergeben sich hierbei unter anderem durch die Erörterung des gegenständlichen Raumes, seiner Ordnung, seiner Eigenschaften und seiner disziplinären Fassbarkeit. Ferner stellt sich die Frage nach der Beziehung des Grabraumes als sozialem Konstrukt zum angeeigneten physischen Raum sowie die weitgefasste Frage nach der Verknüpfung älterer und jüngerer Raumkonzepte in den historisch-kulturwissenschaftlichen Disziplinen.

Den besonderen Anreiz unseres Workshops sehen wir in einem unter dem Stichwort angewandte Raumtheorie stattfindenden interdisziplinären Austausch, um Schwerpunkte und Problemstellen der eigenen Raumforschung im Hinblick auf den fachspezifischen Raumdiskurs vorzustellen und potentiell neue Inspirationswege und kreative Lösungsansätze fachübergreifend zu diskutieren. Unser Ziel ist nichts Geringeres, als zwischen Verstandestechnizismus und zweckloser Mannigfaltigkeit ein der Moderne unangemessenes Entweder-Oder zu vermeiden und dieses durch das in Korrelation zwischen diesen beiden erkenntnistheoretischen Polen notwendigerweise zu findende ästhetische Urteil in der raumtheoretischen Forschung zu ersetzten.